Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Wenn es keine Alternativen gibt

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ersetzt seit Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes am 1.7.2018 die Sachwalterschaft. Sie kommt erst zum Tragen, wenn es keine Alternativen gibt.

 

Was ist eine gerichtliche Erwachsenenvertretung?

Ein*e gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in wird für eine volljährige Person bestellt, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit bestimmte Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann.

Bestellung eines*einer gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in

Die Bestellung eines*einer gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in durch das Pflegschaftsgericht kann nur nach einer verpflichtenden Abklärung der Lebenssituation durch den zuständigen Erwachsenenschutzverein und nach einem persönlichen Gespräch mit dem*der Pflegschaftsrichter*in erfolgen. Der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in unterliegt einer laufenden gerichtlichen Kontrolle.
 

Wer kann gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in sein?

Als gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in können Angehörige, Erwachsenenschutzvereine, Rechtsanwält*innen und Notar*innen sowie unter Umständen sonstige geeignete Personen bestellt werden. Bei den Rechtsanwalts- und Notariatskammern werden Listen von Kammermitgliedern geführt, die als gerichtliche Erwachsenenvertreter*innen bestellt werden können.

Die entsprechenden Listen stehen hier zum Download bereit:

Liste Rechtsanwaltskammer

Liste Notariatskammer

Angelegenheiten

Der Gerichtsbeschluss legt fest, für welche Angelegenheiten der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in bestellt wird. Diese Angelegenheiten sollen möglichst konkret beschrieben werden.

Im Rahmen der Personensorge ist der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in unter anderem verpflichtet, die notwendige soziale und medizinische Betreuung zu organisieren und mindestens einmal monatlich persönlichen Kontakt (z. B. durch einen Hausbesuch) mit der vertretenen Person zu halten.

Befristung

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist auf drei Jahre befristet und kann nur nach Durchführung eines Erneuerungsverfahrens und Einholung eines Clearingberichtes durch den Erwachsenenschutzverein verlängert werden.

FAQ zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung

  • Wer kann gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in sein?

    Als gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in können nahestehende Personen, Erwachsenenschutzvereine, Rechtsanwält*innen, Notar*innen oder andere geeignete Personen bestellt werden. In erster Linie sind nahestehende Personen (Angehörige, Freunde*innen, Bekannte) dafür heranzuziehen. Erwachsenenschutzvereine werden als gerichtliche Erwachsenenvertreter eingesetzt, wenn keine nahestehende Person für diese Aufgabe zur Verfügung steht und/oder spezielle Anforderungen mit der Führung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung verbunden sind.

    Rechtsanwälte*Rechtsanwältinnen und Notar*innen können in unbegrenzter Zahl gerichtliche Erwachsenenvertretungen übernehmen, wenn sie sich in eine von der Rechtsanwaltskammer oder Notariatskammer geführte Liste eintragen lassen.

  • Wann darf kein*e gerichtliche*r Erwachsenenvertreter*in bestellt werden?

    Die Bestellung eines*einer gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in ist ausgeschlossen, wenn die betroffene Person bereits eine*n Vertreter*in hat, einen solchen wählen kann oder eine gesetzliche Erwachsenenvertretung infrage kommt.

    Außerdem ist sie auch unzulässig, wenn ein Mensch trotz psychischer Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit seine Angelegenheiten selbst erledigen kann – etwa mithilfe seiner Familie oder psychosozialer Dienste.

  • Wofür ist der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in zuständig?

    Der Gerichtsbeschluss legt fest, für welche Angelegenheiten der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in bestellt wird. Diese Angelegenheiten sollen möglichst konkret umschrieben werden.

    Im Rahmen der Personensorge ist der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in unter anderem verpflichtet, die notwendige soziale und medizinische Betreuung zu organisieren und mindestens einmal monatlich persönlichen Kontakt (z. B. durch einen Hausbesuch) mit der vertretenen Person zu halten.

  • Wie entsteht eine gerichtliche Erwachsenenvertretung?

    Ein Verfahren zur Bestellung eines*einer gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in wird auf Antrag einer Person für sich selbst oder auf Anregung Dritter (z. B. Angehörige, soziale Dienste, Behörden) bei dem für den Wohnort zuständigen Bezirksgericht eingeleitet.

    Der*die Richter*in muss einen Erwachsenenschutzverein mit der Abklärung bestimmter Fragen beauftragen, z. B. ob Alternativen zur gerichtlichen Erwachsenenvertretung bestehen oder ob überhaupt Angelegenheiten zu regeln sind.

    Wird das Verfahren fortgesetzt, muss sich der*die Richter*in einen persönlichen Eindruck von der Person verschaffen und einen Rechtsbeistand für das Verfahren bestellen.

    Die Person des*der Vertreter*in kann von der betroffenen Person selbst gewählt werden.

    Auf Antrag oder auch von Amts wegen kann ein Sachverständigengutachten eingeholt und eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

    Der Wirkungsbereich des*der gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in wird in einem Gerichtsbeschluss festgelegt, der auch der vertretenen Person zugestellt werden muss. Gegen die Entscheidung des Gerichtes besteht die Möglichkeit, ein Rechtsmittel (Rekurs) zu erheben.

    Die gerichtliche Erwachsenenvertretung wird in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen.

  • Was kostet die gerichtliche Erwachsenenvertretung?

    Grundsätzlich ist das gerichtliche Verfahren kostenlos. Wird ein Sachverständigengutachten eingeholt, sind diese Kosten zu ersetzen, sofern der Unterhalt der betroffenen Person nicht gefährdet ist.

    Der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in kann eine jährliche Entschädigung in der Höhe von 5 % bis 10 % der Nettoeinkünfte der vertretenen Person (exklusive zweckgebundener Leistungen wie z. B. Pflegegeld) und zusätzlich 2 % bis 5 % des Vermögens, das einen Betrag von 15.000,– Euro übersteigt, beantragen. Zusätzlich kann der Ersatz allfälliger Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten, Portokosten, Kosten für eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung) ver­rechnet werden.

    Das Gericht kann die Entschädigung entsprechend mindern.

  • Gibt es eine gerichtliche Kontrolle?

    Das Pflegschaftsgericht ist zur Anleitung und Kontrolle des*der gerichtlichen Erwachsenenvertreter*in verpflichtet.

    Wichtige Entscheidungen, wie z. B. der Verkauf einer Liegenschaft oder die Erhebung einer Klage, unterliegen der gerichtlichen Genehmigung. Der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in hat mindestens einmal jährlich dem Gericht über die Situation des*der Betroffenen zu berichten (Lebenssituationsbericht).

    Sofern der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in auch für die Einkommens- und Vermögensverwaltung zuständig ist, hat er*sie mindestens alle drei Jahre eine Pflegschaftsrechnung vorzulegen. Erwachsenenschutzvereine sind von der laufenden Rechnungslegungspflicht ausgenommen.

    Bei dauerhafter Wohnortänderung einer nicht entscheidungsfähigen vertretenen Person (z. B. Übersiedlung in eine betreute Wohnform) ist vor der Übersiedlung eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen.

  • Wann beginnt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung, wie lange dauert sie und wann endet sie?

    Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung ist auf drei Jahre befristet und kann nur nach Durchführung eines Erneuerungsverfahrens und Einholung eines Clearingberichts verlängert werden.

    Die Befristung ist aus dem Gerichtsbeschluss ersichtlich.

    Die vertretene Person sowie der*die gerichtliche Erwachsenenvertreter*in können jederzeit die Aufhebung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung beantragen.

    Durch den Tod der vertretenen Person wird sie ebenfalls beendet.